Magische Lachkulturen. Scherz, Spott und Satire in Hexereidiskursen

Magische Lachkulturen. Scherz, Spott und Satire in Hexereidiskursen

Veranstalter
PD Dr. Rita Voltmer (Universität Trier, Geschichtliche Landeskunde); Johannes Kuber (Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Fachbereich Geschichte)
Veranstaltungsort
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Tagungshaus Weingarten
Gefördert durch
DFG
PLZ
88250
Ort
Weingarten
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
22.02.2024 - 24.02.2024
Deadline
31.10.2023
Von
Johannes Kuber, Fachbereich Geschichte, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Die 54. Tagung des Arbeitskreises interdisziplinäre Hexenforschung, die insbesondere Vertreter:innen aus Geschichtswissenschaft, Medizin-, Literatur- und Kunstgeschichte sowie Ethnologie und Soziologie ansprechen möchte, soll den ambivalenten Funktionen des Lachens in Magie- und Hexereidiskursen nachspüren und magische Lachkulturen von der Antike bis zur Gegenwart sichtbar machen.

Magische Lachkulturen. Scherz, Spott und Satire in Hexereidiskursen

Seit ihren Anfängen hat die christliche Kirche eine misstrauische Haltung gegenüber dem als blasphemisch, ja ketzerisch gedeuteten Lachen eingenommen. Jenseits dieser eindimensionalen Sichtweise haben rezente Forschungen gezeigt: Mittelalterliche, frühneuzeitliche und „aufgeklärte“, populäre und elitäre Elemente umgreifende Lachkulturen bzw. „Lachgemeinschaften“ (Werner Röcke / Hans Jochen Velten) vereinten erlaubte Heiterkeit mit diskreditierten Formen des kalkuliert-aggressiven, geltende Normen und Ordnungen negierenden, herabsetzenden, karnevalesken, grobianisch-schadenfrohen, parodierenden oder unsinnigen Lachens. Lachen konnte sowohl Furcht bewältigen (mithin als Resilienzstrategie und -ressource dienen) als auch Angst erzeugen oder als politische Waffe der Entehrung, Inkriminierung und Degradierung eingesetzt werden.

Der Teufel und seine Dämonen, Magie, Hexerei sowie das Lachen waren auf vielen Bedeutungsebenen miteinander verflochten. Mären, Fazetien, geistliche Spiele, Fastnachtsspiele, Sagen, Schwänke, Predigtexempel oder Parodien, selbst die Faustbücher des 16. Jahrhunderts zeugen von einem keineswegs nur „ernsten“ Umgang mit dem Dämonisch-Okkulten. Europaweit vermochten Teufel und Hexen als Objekte der Unterhaltung, als Medien der Belehrung und Didaxe den Weg für Spott und Satire öffnen. „Laughing with demons“ ergänzte das viel beschworene „thinking with demons“ (Stuart Clark), ja das ungläubige Gelächter konnte Dämonen und ihre menschlichen Helfershelfer als nicht-existent deklassieren und zu einem „thinking without demons“ werden.

Trotz aller Relevanz bleibt dieses Themenfeld in der internationalen und interdisziplinär aufgestellten Magie- und Hexenforschung noch zu wenig beachtet. Dies mag an einer Fokussierung auf dämonologische Texte, Sensationsnachrichten (Publizistik) und auf einschlägige Gerichtsakten liegen, in denen die Verfolgung von Magiedelikten entweder propagiert oder dokumentiert worden ist. Hier blieb das Lachen der Hexe vor Gericht, vor der Hinrichtung ein Indiz ihrer Schuld. Gleichwohl arbeitete der dämonologische mainstream mit Erzählstrategien, die moralisch-theologische Botschaften mit dem Hilfsmittel der Unterhaltung transportierten (Gerhild Scholz-Williams, Lyndal Roper).

Manchmal bleibt schwer zu unterscheiden, wo obsessive Dämonologie aufhört und das Entertainment bzw. die Angstlust beginnt. Das Lachen über Teufel und Hexen diente nicht zuletzt als Ressource der Resilienz, als Entlastungsstrategie und zur Angstbewältigung. Daneben machten mittelalterliche und frühneuzeitliche Gelehrte, Dichter, Literaten, Maler und Kupferstecher den Teufel, (vermeintliche) Hexen und deren dunkle Künste, insbesondere aber jene, die daran glaubten, zur Zielscheibe von Spott, Parodie und Satire. Die Figur der weiblichen Hexe diente in frühneuzeitlichen Frauensatiren als ultimatives Beispiel für weibliche Bösartigkeit (Emma Louise Brucklacher). Spätestens mit Reginald Scot (1584) und Cornelius Loos (1592), dann auch mit Abbé Laurent Bordelon (1710) wurde das satirische Verlachen des Magieglaubens und des Hexensabbats zum anti-dämonologischen Argument schlechthin (Ismael del Olmo, Rita Voltmer). Für frühneuzeitliche Mediziner galt allemal im Sinne von prodesse et delectare, ein schädliches, das humoralpathologische Gleichgewicht störende Übermaß an schwarzer Galle, welche Melancholie und die Anfälligkeit für teuflische Anfechtungen hervorrufe, könne am besten mit Heiterkeit ausgetrieben werden. In diesem Sinne vermochte Anti-Dämonologie im Gewand von Satire und Parodie zum Remedium gegen den Teufel selbst werden.

Die internationale und interdisziplinäre Tagung, die insbesondere Vertreter:innen aus Geschichtswissenschaft, Medizin-, Literatur- und Kunstgeschichte sowie Ethnologie und Soziologie ansprechen möchte, soll den ambivalenten Funktionen des Lachens in Europa, Nord- und Lateinamerika umspannenden Magie- und Hexereidiskursen nachspüren und magische Lachkulturen von der Antike bis zur Gegenwart sichtbar machen. Willkommen ist ebenfalls die Vorstellung laufender Abschlussarbeiten. Folgende Themenfelder werden unter anderem angesprochen:

- Lachen im Umfeld von Hexereianklagen und vor Gericht (als Resilienzstrategie / Schuldindiz)
- Verlachen von Teufeln und Hexerei als Entlastungs- / Bewältigungsstrategie
- Parodie, Satire und Spott als anti-dämonologisches Argument
- „komische“ / satirische / parodistische Darstellung von Teufeln und Hexen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur / auf der Bühne / in der Publizistik / in bildlichen Darstellungen (Entertainment)
- Heiterkeit und Lachen als Mittel gegen Melancholie und „teuflische Anfechtungen“

Wenn Sie Interesse haben, einen Vortrag beizusteuern, sind Sie herzlich eingeladen, einen Titelvorschlag, eine tabellarische Vita und eine kurze Beschreibung (max. eine Seite) ihres Vorhabens an Rita Voltmer (voltmer@uni-trier.de) bis zum 31. Oktober 2023 zu senden. Das Organisationsteam wird Sie rechtzeitig über die Annahme ihres Vortrages informieren. Wir laden darüber hinaus alle Interessierten zur Teilnahme ein.

Die Tagung wird in Kooperation mit dem durch die DFG geförderten Projekt „Kriminaljustiz im Westen des Reiches (15. bis 17. Jahrhundert). Resilienzprozesse am Beispiel von Hexerei- und Unzuchtsdelikten“ (Leitung: PD Dr. Rita Voltmer) im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe 2539 „Resilienz – Gesellschaftliche Umbruchphasen im Dialog zwischen Mediävistik und Soziologie“ (Universität Trier) veranstaltet. Nähere Informationen unter https://for2539-resilienz.uni-trier.de.

Magical cultures of laughter: Jest, Mockery, and Satire in Witchcraft Discourses (Arbeitskreis interdisziplinäre Hexenforschung)

From its beginnings, the Christian Church has taken a suspicious attitude towards laughter, which was considered blasphemous, even heretical. Beyond this one-dimensional view, recent research has shown that medieval, early modern, and “enlightened” so-called cultures of laughter (Lachkulturen) or “communities of laughter” (Lachgemeinschaften; Werner Röcke / Hans Jochen Velten) embraced popular and elite elements. Cultures of laughter united permitted expressions of cheerfulness with discredited forms of laughter—for example, laughter aimed at aggressively denying the ruling norms and authorities; crude, coarse, mocking, gloating, carnivalesque or parodying laughter. On one side, laughter helped to cope with fears, it served as a strategy or a resource of resilience. On the other side, it produced anxieties, and it served as a political instrument used to dishonour, incriminate, and degrade.

On many levels, the devil and his demons, magic and witchcraft were interlinked with laughter. Fairy tales, folk tales, fazetias, spiritual plays, carnival plays, farces, sermon exempla or parodies, even the 16th century Faust books—these genres refused to treat the demonic occult in exclusively grave fashion. All over Europe, demons and witches served both as objects of entertainment and as themes of instruction and didactics. This paved the way for mockery and satire. „Laughing with demons“ went together with „thinking with demons“ (Stuart Clark). Laughing in disbelief even helped to deny the material and physical existence of demons and their human servants, the witches. „Laughing with demons“ could transform into „thinking without demons“.

Despite their relevance, witchcraft research has continued to neglect the magical cultures of laughter, due to its long-standing focus on demonology, sensational pamphlets, and trial records. These text formats propagated and documented witch-hunting and hardly ridiculed the respective phenomena. In this perspective, a witch’s laughter in court or before the stake was no more than a proof of her or his guilt. At the same time, even mainstream demonologists employed strategies of storytelling and narratives to transport their moral and theological messages by means of entertainment (Gerhild Scholz-Williams, Lyndal Roper).

Sometimes it remains hard to tell where obsessive demonology ended and entertainment and lust of horror began. Laughing with demons and witches, thus, served as a resource of resilience for coping with anxieties. Moreover, medieval and early modern scholars, poets, writers, painters and engravers made the devil, (supposed) witches and their occult arts, but especially those who believed in these supposed phenomena, the target of ridicule, parody and satire. In early modern women’s satires, the figure of the female witch served as an example of the deeply rooted wickedness of women (Emma Louise Brucklacher). By the time of Reginald Scot (1584) and Cornelius Loos (1592), followed inter alia by Abbé Laurent Bordelon (1710), satires ridiculing the belief in magic and in the witches’ sabbath became the anti-demonological argument par excellence (Ismael del Olmo, Rita Voltmer). In the sense of prodesse et delectare, early modern physicians argued that a harmful excess of black bile, which disturbed the humoral balance and caused melancholy and diabolical temptations, could best be exorcised with cheerfulness. Anti-demonology in the guise of satire and parody could thus become a remedy against the devil himself.

The international and interdisciplinary conference is open to scholars from the fields of history, medicine, literature, art history, ethnology, and sociology. It aims to investigate the ambivalent functions of laughter in the discourses of magic and witchcraft that spanned Europe and its colonies in North and Latin America. It wants to make magical cultures of laughter between Antiquity and the Present visible. The presentation of master or doctoral theses in progress is also welcome. The following issues may be addressed:

- Laughter in the context of witchcraft accusations and in court (as a resilience strategy / indication of guilt)
- Laughing with demons and witches as a strategy of relief or coping
- Parody, satire, and mockery as an anti-demonological argument
- comical / satirical / parodic representations of devils and witches in literature / on stage / in pamphlets / in arts (entertainment)
- cheerfulness and laughter as remedies against melancholy and so-called “devilish temptations”

We invite everybody interested in the topic of “magical cultures of laughter” or in the presentation of a master or doctoral thesis, to send a proposal, a CV and an abstract of the paper planned (only one page) to Rita Voltmer (voltmer@uni-trier.de). The deadline is October 31, 2023. The organizing team will inform you in due time whether your proposal has been accepted. We also invite all interested listeners to participate.

The conference is organised in cooperation with the DFG-funded project "Resilience and Criminal justice: The Persecution of Witchcraft and Sexual Deviances in Western Territories of the Holy Roman Empire (15th -17th c.)” (Director: PD Dr. Rita Voltmer) as part of DFG Research Group 2539 "Resilience - Phases of Societal Upheaval in Dialogue between Medieval Studies and Sociology" (University of Trier). For more information see https://for2539-resilienz.uni-trier.de.

Kontakt

PD Dr. Rita Voltmer (Universität Trier, Geschichtliche Landeskunde)
voltmer@uni-trier.de

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